Der politische Kampf innerhalb der Arbeiterklasse ist es,
welcher die Voraussetzungen für die Entstehung einer echten
marxistisch-leninistischen kommunistischen Partei schaffen kann

La Voix des Communistes,
Zentrale Zeitung des ROCML
(
Rassemblement organisé des communistes marxistes-léninistes)
N° 28, 1. Semester 2021

Seit dem Aufkommen des kapitalistischen Systems wurden die Arbeiter ständig dazu veranlasst, ihre Interessen gegen die Ausbeutung, die sie in dieser Gesellschaft erleiden, zu verteidigen. Um jedoch ihre vollständige Befreiung zu erreichen, müssen sie ihre Kräfte unter Berücksichtigung bestimmter wesentlicher Aspekte einsetzen.

Die Kapitalisten dominieren wirtschaftlich als Ausbeuterklasse, und politisch, insofern der Staat die Macht der Bourgeoisie auf Kosten der Arbeiterklasse sichert. Der zu führende Kampf ist daher ein politischer Kampf, der einen radikalen, in der Arbeiterklasse selbst verwurzelten Charakter annehmen muss, unabhängig von allen mit anderen Klassen und Schichten der Gesellschaft verbunden politischen Kräften, von der Bourgeoisie an der Macht natürlich, aber auch vom Kleinbürgertum.

Nur die direkte und entschlossene politische Konfrontation der Arbeiterklasse mit der Kapitalistenklasse im Hinblick auf die Zerstörung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse kann zum Ende der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen führen und alle Übel beseitigen, die als "Ungerechtigkeiten" erscheinen und die die Bourgeoisie dank ihrer Macht (politischer, wirtschaftlicher und sozialer Natur) aufrechterhält. Es ist der bürgerliche Staat, der gestürzt werden muss; zu ihm gehören die Bürokratie, die Nationalversammlung, die Polizei, die Justiz, die Armee, das Gefängnis und die Schule, und man kann die "Medien" als Instrument der Propaganda hinzufügen. Dieser Staat ist die Hauptsäule der Herrschaft der Bourgeoisie.

Der Staat ist das Produkt und die Äußerung der Unversöhnlichkeit der Klassengegensätze. Der Staat entsteht dort, dann und insofern, wo, wann und inwiefern die Klassengegensätze objektiv nicht versöhnt werden können. [1]

Der Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital zeigt sich täglich im politischen und wirtschaftlichen Leben. Die allgemeinen Interessen der Bourgeoisie als Ganzes stehen im Widerspruch zu den Interessen des Proletariats, es ist ein unvereinbarer Widerspruch zwischen den beiden Grundklassen der Gesellschaft. Daraus folgt, dass der Kampf zwischen diesen beiden Klassen unvermeidlich ist. Aber die Aktion der Arbeiterklasse ist nicht automatisch revolutionär. Die Arbeiterklasse wird nur insofern revolutionär sein, als sie direkt und bis zum Sieg für die Eroberung der Macht handelt. Solange die Arbeiterklasse keine eigene Staatsmacht aufgebaut hat, werden die Ergebnisse ihres Kampfes ständig vom Kapital in Frage gestellt.

Diese Realität verhindert nicht, dass manchmal auch Widersprüche zwischen den verschiedenen Fraktionen der Bourgeoisie ausbrechen können und dass bestimmte Schichten wie das Kleinbürgertum unzufrieden sein können. Ein weiteres wichtiges Merkmal ist, dass in der kapitalistischen Gesellschaft keine soziale Klasse homogen und stabil ist. So verändern die Wellen der Proletarisierung die Zusammensetzung der Arbeiterklasse sowie die der Zwischenschichten zwischen Proletariat und Bourgeoisie.

Konflikte, die durch diese Faktoren ausgelöst werden, tendieren dazu, bei den Arbeitern Illusionen hervorzurufen und hindern sie daran, sich auf ihre eigene Stärke zu verlassen. Manche warten auf Lösungen seitens "alternativer" Regierungskandidaten, andere wenden sich an "Opponenten" mit vagen "Anti-System"-Slogans, die sich auf Cliquen der Bourgeoisie oder des Kleinbürgertums stützen. Unter einem weiteren Aspekt manifestiert sich die herrschende Verwirrung in der Tatsache, dass eine breite Palette von Kämpfen aller Art stattfindet, ohne dass die Arbeiterklasse mittels politischer Organisationen und Verbände in der Lage ist, eine klare Achse für sich selbst zu etablieren und sich auf ihre eigenen vorrangigen Ziele zu konzentrieren. Vielfache Appelle laden das "Volk" ein, sich für verschiedene Slogans einzusetzen und "alle" sollen teilnehmen. Die Überlegungen werden jedoch nicht immer so angegangen, wie es sein sollte, um zu beurteilen, inwieweit die Interessen des Proletariats auf dem Spiel stehen, und nicht die einer unzufriedenen Komponente dieses "Volkes", welche versucht, anderen die Butter vom Brot zu nehmen.

All dies ist Ausdruck der Tatsache, dass die Arbeiterklasse derzeit kein eigenes politisches Programm hat und politisch hinter den kleinbürgerlichen Schichten steht, manchmal sogar hinter der Großbourgeoisie.

Wir sind daher weit von dem entfernt, was Lenin als Grundaufgabe des Proletariats unterstreicht:

Auf der Basis der ungelösten bürgerlich-demokratischen Aufgaben bleibt die revolutionäre Krise unvermeidlich. […] Die Aufgaben des Proletariats ergeben sich aus dieser Lage mit ganz eindeutiger, unabänderlicher Bestimmtheit. Als die einzige konsequent revolutionäre Klasse der modernen Gesellschaft muß das Proletariat der Führer sein, der Hegemon […] im Kampf aller Werktätigen und Ausgebeuteten gegen die Unterdrücker und Ausbeuter. Das Proletariat ist nur insofern revolutionär, als es sich dieser Idee der Hegemonie bewußt ist und sie in die Tat umsetzt. [2]

Die Entwicklung des Kampfes der Arbeiterklasse kann nicht entscheidend voranschreiten, solange Illusionen über den Charakter des Staates und der politischen Kräfte bestehen bleiben. In den letzten Jahrzehnten lasteten diese Illusionen schwer auf der Arbeiterbewegung bei mehreren wichtigen Gelegenheiten und auch im Zusammenhang mit interklassistischen Mobilisierungen.

Reformismus, eine anhaltende Manifestation
der Unverständnisse über die Natur des Staates

In all diesen Bewegungen findet man etwas Gemeinsames: falsche Ansichten über den Charakter des Staates und der politischen Kräfte. Da die Arbeiterklasse keine eigene Partei aufgebaut hat, ist es unvermeidlich, dass sie unter dem Einfluss der verschiedenen bürgerlichen politischen Parteien steht. Auf der Seite von "links" geht es hauptsächlich um reformistische Orientierungen. Die geschwächte Sozialistische Partei (PS) spielt immer noch eine wichtige Rolle (insbesondere durch die Gewerkschaftskonföderationen CFDT, UNSA). Der Einfluss des Rassemblement National (Nationale Sammlungsbewegung, RN, einst Front National) übt sich hauptsächlich unter den kleinbürgerlichen Schichten aus, aber nur sehr wenig innerhalb der Arbeiterklasse; er kann in bestimmten Sektoren strukturiert sein, in den Provinzen basiert er eher auf den Ideen, die das RN verbreitet.

Lenin erklärt (Kursivschrift im Original):

Und je höher die Entwicklung des Kapitalismus in einem bestimmten Land, je reiner die Herrschaft der Bourgeoisie, je größer die politische Freiheit, desto weiter ist das Anwendungsfeld der "neuesten" bürgerlichen Losung: Reformen gegen Revolution, stückweises Flicken des untergehenden Regimes zur Spaltung und Schwächung der Arbeiterklasse, zur Behauptung der Macht der Bourgeoisie gegen den revolutionären Sturz dieser Macht. [3]

Er unterstreicht damit, dass die Vorherrschaft des Reformismus als Waffe der Bourgeoisie in direktem Zusammenhang mit dem vom Kapitalismus erreichten fortgeschrittenen Grad sowie dem Ausmaß der politischen Freiheiten steht. In Frankreich ist der Kapitalismus heute zweifellos bis zum höchsten Punkt entwickelt; was die politischen Freiheiten betrifft, so bleiben sie es noch, in relativem Maße. Diese Überlegung Lenins ist heute sehr aktuell. Sie beleuchtet die Meinungsverschiedenheiten marxistisch-leninistischer Kommunisten gegenüber den Reformisten und kleinbürgerlichen Strömungen zum Thema der Macht der Bourgeoisie und der Machtergreifung durch das Proletariat. Heutzutage benützt die Großbourgeoisie immer weniger den reformistischen Weg, aber zwischen der Bourgeoisie und dem Proletariat hat sich eine weite Zwischenschicht gebildet, die sich an reformistische und utopische Vorstellungen hält.

Der politische Kampf der Arbeiterklasse distanziert sich nicht von dem Kampf gegen alle Ungerechtigkeiten, einschließlich jener, die über den Bereich der Arbeiter hinausgehen. Jedoch verschleiert der Reformismus jede Auffassung im Sinne von Klasse, von Avantgarde-Geist der Arbeiterklasse, er lässt uns die Rolle der Kommunistischen Partei vergessen – jedenfalls inhaltlich, auch wenn in Worten manchmal der Schein erhalten bleibt.

Politische Propaganda/Agitation existiert seit langem kaum mehr in der Arbeiterklasse, abgesehen von Wahlkampagnen zugunsten dieser oder jener Partei. Die Schwierigkeiten des Lebens, die Leiden sind nicht als Konsequenzen der kapitalistischen Produktionsweise erklärt worden. Die vielfältigen Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, wie die Bewältigung von Wirtschaftskrisen, das Problem der undokumentierten Arbeiter, Rassismus usw., werden als Folge von Inkompetenz des Managements, Bosheit, Gier und Machtdurst angesehen. Die Verbindung zwischen Politik und Wirtschaft, der bewusste, geplante Charakter der im Interesse der Kapitalistenklasse angewandten Maßnahmen werden den Arbeitern nicht mit inhaltlichen Analysen dargelegt. Wenn die Bourgeoisie Angriffe auf die Arbeiterklasse durchführt, verbreiten die reformistischen politischen Kräfte ihre irreführende Vision, wonach die Rettung der Arbeiter in der Verteidigung der "Republik" liegt. Ihnen zufolge wäre das wesentliche Problem die Aufrechterhaltung der "Demokratie", deren Ausübung es den Arbeitnehmern ermöglichen würde, ihre Bestrebungen durchzusetzen.

Wenn die Kapitalisten beschließen, Aktivitäten zu verlagern oder abzubauen, sind die möglichen Forderungen aus Sicht der Gewerkschaftskämpfe notwendigerweise begrenzt: eine "Sicherung" eines Teils der betroffenen Stellen, eine "Verbesserung" der Entlassungsbedingungen (die Losung von "Entlassungsverbot" ist nur pseudoradikales Geschwafel). Um eine revolutionäre Orientierung anzunehmen, muss die Aktion auf dem politischen Terrain im eigentlichen Sinne stehen, was in der gegenwärtigen Phase des Klassenkampfes bedeutet, die grundlegenden Faktoren zu erklären, die die von den Kapitalisten angewandten Handlungen motivieren.

"Privatisierungen", Renten- und Sozialversicherungssysteme, das Arbeitsgesetzbuch, Gesetze über "globale Sicherheit", das Verbot von Studentenaktionen innerhalb der Universität, Maßnahmen gegen die sanitäre Krise: um den Willen und die Kampffähigkeit der Arbeiter voranzutreiben, muss man all diese Tatsachen im Lichte der Funktionsweise (Funktionsstörungen) des Kapitalismus, der Orientierungen der politischen Parteien der Bourgeoisie, ihrer inneren Konflikte und der Rivalitäten zwischen ihnen erklären.

Nehmen wir das Problem der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit: Es ist eine Utopie, die Arbeiter glauben zu lassen, dass es möglich ist, das Problem durch eine Forderung nach Verkürzung der Arbeitszeit auf 32 Stunden pro Woche zu lösen. Wir haben bereits konkrete Erfahrungen gemacht, mit dem Übergang auf 35 Stunden. Das Kapital hat das Produktionstempo angepasst, die Zahl der Arbeitslosen hat sich größtenteils nicht verändert, hingegen hat die Bourgeoisie die prekäre Arbeit ausgeweitet.

Man kann ein weiteres Beispiel geben: den Kampf gegen die Änderung des Arbeitsgesetzbuchs. Er hat etwas sehr deutlich gezeigt: Eine Abwehrbewegung erreicht wenig, weit entfernt von einem wahrhaften Sieg. Der wirtschaftliche Forderungskampf stellt die kapitalistische Gesellschaft als solche in keiner Weise in Frage. Und wenn dieser Kampf geführt wird, ohne mit der Stärkung der Organisation der Arbeiterklasse durch die Kommunisten verbunden zu sein, behält die Bewegung den Charakter spontaner Reaktionen ohne Perspektive.

Marxistisch-leninistische Kommunisten sind weder Sektierer noch Utopisten. Sie gehen von der Beobachtung aus, dass Kapitalisten nur dort investieren, wo Gewinne – vorzugsweise hohe – in Sicht sind. Angesichts dessen sind Kämpfe zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter legitim und notwendig. Wir wissen aber auch, und die Geschichte zeigt, dass alle großen Eroberungen die Frucht eines offen politischen Kampfes sind und dass in der kapitalistischen Gesellschaft kein Recht oder "Erworbenes" von Dauer ist.

In dieser Phase unserer Darlegung müssen wir klären, was unter "Politisierung" zu verstehen ist. Gewisse politische Kräfte sprechen selbst von Politisierung, achten jedoch darauf, der Arbeiterklasse keine bestimmte politische Rolle zuzuweisen. Eine Politik, die nicht mit bestimmten Klasseninteressen verbunden wäre, existiert jedoch nicht. Wir kämpfen dafür, dass sich die Arbeiterklasse als eine Klasse organisiert, die politisch von allen bürgerlichen und kleinbürgerlichen Kräften unabhängig ist. Dazu ist der Kampf um den Aufbau einer echten kommunistischen Partei von wesentlicher Bedeutung. Sein Weg geht durch die Arbeit innerhalb der Arbeiterklasse. Solange er sich auf einen wirtschaftlichen oder gewerkschaftlichen (beruflichen) Kampf beschränkt, wird seine Politisierung unmöglich sein. Und der politische Kampf der Arbeiterklasse kann sich nicht einfach auf die Kritik der kapitalistischen Gesellschaft beschränken, sondern zielt darauf ab, den Kapitalismus zu stürzen.

Um sich zu organisieren, muss die Arbeiterklasse alle Illusionen loswerden, die sie beeinflussen. Aber sie kann dies nicht tun, ohne ihre Erfahrung zu berücksichtigen, welche im Kampf wächst und sich entwickelt. Man kann die Arbeiterklasse nicht in einer Schule unterrichten. Die Arbeiterklasse bezieht ihre Schulung aus ihrer eigenen Erfahrung.

Die Menschen waren in der Politik stets die einfältigen Opfer von Betrug und Selbstbetrug, und sie werden es immer sein, solange sie nicht lernen, hinter allen möglichen moralischen, religiösen, politischen und sozialen Phrasen, Erklärungen und Versprechungen die Interessen dieser oder jener Klassen zu suchen. Die Anhänger von Reformen und Verbesserungen werden immer von den Verteidigern des Alten übertölpelt werden, solange sie nicht begreifen, daß sich jede alte Einrichtung, wie sinnlos und faul sie auch erscheinen mag, durch die Kräfte dieser oder jener herrschenden Klassen behauptet. Um aber den Widerstand dieser Klassen zu brechen, gibt es nur ein Mittel: innerhalb der uns umgebenden Gesellschaft selbst Kräfte zu finden, aufzuklären und zum Kampf zu organisieren, die imstande – und infolge ihrer gesellschaftlichen Lage genötigt – sind, die Kraft zu bilden, die das Alte hinwegzufegen und das Neue zu schaffen vermag. [4]

Welche Zukunft für den Klassenkampf

Wir haben einen oberflächlichen Überblick des Zustandes der Arbeiterklasse sowie der Schwierigkeiten des Kampfes und ihrer Wurzeln gegeben.

Niemand bestreitet, dass sich die Gesellschaft in einer globalen Krise befindet. Die sanitäre Krise ist eine Folge der Funktionsweise der kapitalistischen Gesellschaft, die nicht den Bedürfnissen der Menschheit entspricht, und sie beschleunigt und verschärft die Wirtschaftskrise, deren Symptome bereits in Gang waren. Diese Krisensituation impliziert unweigerlich eine Verschärfung des Klassenkampfes. Immer massivere Kämpfe werden mit Sicherheit ausbrechen. Gegen diese Kämpfe wird die Bourgeoisie gezwungen sein, immer mehr Gewalt anzuwenden, entsprechend der Tendenz, die bereits seit einiger Zeit einsetzt.

Seit mehreren Jahrzehnten beginnen die Arbeiter selbst die wachsende Diskrepanz zu verspüren zwischen dem relativ schüchternen Charakter – abgesehen von einigen kurzen Ausbrüchen – ihrer Art sich zu organisieren und zu handeln, und der Schärfe der Angriffe der Bourgeoisie. Die Arbeiterbewegung in Frankreich hat eine lange Geschichte, eine Erfahrung, die sowohl auf fernen Zeiten als auch auf den jüngsten Perioden basiert. Nach und nach machen die Arbeiter tastende Versuche um sich besser anzupassen, um Zielsetzungen, Ziele und Methoden zu bestimmen, damit ihre Kämpfe zu Ergebnissen führen können. Eine der Hauptursachen für das Zögern liegt in der Unterscheidung zwischen gewerkschaftlichem Arbeitskampf und politischem Kampf. Nach einer weit verbreiteten, von den Arbeitgebern unterstützten Ansicht, sollen die Gewerkschaften nicht "Politik machen". Die Arbeiter müssen sich jedoch gerade von dieser unbegründete Regel freimachen, deren Achtung sie vom Boden des fundamentalen Kampfes fernhält: der Konfrontation nicht nur mit der Unternehmensleiter – die scheinheilig in ihrem formellen Status als Angestellte Deckung finden können -, sondern mit den Eigentümern des Kapitals, die sich ihrerseits in enger Verbindung mit dem Staat sehr wohl auf politischen Boden stellen.

Die Arbeiterklasse ist ideologisch, politisch und gewerkschaftlich gespalten. Im Bereich der Gewerkschaften sind mehrere politische Strömungen oder Gruppen aktiv. Es gibt diejenigen, die offen mit der Regierung zusammenarbeiten. Andere stehen mehr oder weniger entschlossen auf der Seite der Verteidigung der Arbeitnehmerinteressen. Trotzdem sind die Führer der Gewerkschaftszentralen der Kritik ausgesetzt, manchmal aus gutem Grund. Abgesehen von der negativen Rolle, die Gewerkschaftsführer spielen können, sind die Schwierigkeiten der Arbeiterbewegung jedoch tiefgründiger.

Wir müssen danach streben, gemeinsam mit Aktivisten verschiedener politischer Positionen, die Einheit im Arbeitskampf innerhalb der Gewerkschaftskonföderation CGT zu erreichen. Der gewerkschaftliche Rahmen schränkt jedoch von vornherein den Umfang dieser Einheit ein, wie breit sie auch sein mag. Es kann nur darum gehen, die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter zu verteidigen, Rechte zugunsten der Arbeiterklasse zurückzugewinnen oder – besser – zu erweitern (Ruhestand, Repräsentativität innerhalb eines Unternehmens: Betriebsräte, Vertrauensleute, Arbeitsschutzausschuss). Freilich sind dies wichtige Aufgaben, die für den Kampf außerhalb der Gewerkschaften eine Hebelwirkung darstellen. Aber an all dem ist nichts Revolutionäres.

Und trotz der reichen Geschichte der Gewerkschaftsbewegung ist es nicht möglich, die aus jedem Kampf resultierenden Erfahrungen zu sammeln, um Lehren aus politischer Sicht zu ziehen. Die Arbeiterklasse war nie homogen, und der Gewerkschaftsrahmen ist nicht geeignet, diesen Zustand zu überwinden. Im Gegenteil, er passt sich der Vielfalt der Situationen an und hält dabei die Heterogenität des Ganzen aufrecht. Das Fortbestehen korporatistischer Ansätze ist ein Ausdruck davon.

Der Verfall der Kommunistischen Partei (PCF), die einst einen starken politischen Einfluss auf die CGT ausübte, hat viele Aktivisten dieser Konföderation in Verunsicherung gebracht. Das zurückgelassene Vakuum hat zu einer Haltung geführt, als ob die Gewerkschaften direkt die Nachfolge antreten könnten. Das ist eine Position, die sowohl anarcho-syndikalistisch als auch zugleich reformistisch ist. Es wird erwartet, dass die Gewerkschaft über ihre Möglichkeiten hinausgeht. Nach dem Prinzip, das es anzuwenden gilt, dürfen die Gewerkschaften als Organisationen der Arbeiterklasse sicherlich nicht "unpolitisch" sein, sondern müssen die politischen Ziele der Klasse verteidigen. Aber man kann von ihnen nicht verlangen, den vakanten Platz der Klassenpartei einzunehmen.

Protestkämpfe haben meistens einen abgegrenzten Umfang im Rahmen eines Unternehmens, einer großen Gruppe oder einer Niederlassung. Manche Kämpfe können einen allgemeineren Konfrontationscharakter annehmen: betreffend das Rentensystem, das Arbeitsgesetzbuch oder das Gesetz der Repräsentativität der Gewerkschaften im Betrieb usw. Tatsache ist, dass diese Themen alle Arbeiter betreffen, und die Arbeitskampfmaßnahmen richten sich in diesem Fall gegen die Regierung, die – grundsätzlich – die Kapitalisten insgesamt vertritt. Und Kämpfe wie im Bereich des öffentlichen Verkehrs (SNCF, RATP) haben indirekte Auswirkungen, was ihnen einen relativ breiten proletarischen Charakter verleiht. Diese Kämpfe führen zumindest implizit zur keimenden Entfaltung des direkten Gegensatzes zwischen der Arbeiterklasse und der Kapitalistenklasse als solche. Auch so bewirkt die schwache Entwicklung des Klassenbewusstseins unter den Arbeitern, dass diese Aktionen auf eine politische Vision beschränkt bleiben, die in der Tat eine Emanation der Bourgeoisie und der kleinbürgerlichen Schichten ist. Sie sind vorerst nicht in der Lage, sich das Ziel zu setzen, die politische Macht der Bourgeoisie zu stürzen.

Die Bourgeoisie verfügt zur Wahrung ihrer Interessen über alle staatlichen Räderwerke und setzt ihre Repressionskräfte (Polizei, Gendarmen, Bürgerwehr usw.) ohne Bedenken ein. In den letzten zehn Jahren hat sie davon intensiven Gebrauch gemacht, was in Anbetracht der langfristigen Vergangenheit nichts Neues ist. (Siehe unseren Artikel über staatliche Gewalt in dieser Ausgabe.)

Um dem zu begegnen, fehlt eine Organisation, die die Fähigkeit hätte, die Arbeiterklasse zu organisieren und zu mobilisieren und eine politische Position im Sinne Klasse gegen die Klasse auf nationaler Ebene zu verkörpern. Solange es der Arbeiterklasse nicht gelingt, ihr Klassenbewusstsein über den gegenwärtigen Zustand hinaus zu entwickeln, kann sie die Hindernisse, die sie spalten, nicht überwinden, um ein politischer Akteur mit seiner eigenen politischen Organisation zu werden. Eine echte politische Kraft innerhalb der Klasse aufzubauen, die Avantgardepartei der Arbeiterklasse, das ist das Ziel der Kommunisten.

Der spontane Gewerkschaftskampf angesichts der Gefahr der Schließung eines Arbeitsplatzes, von Entlassungen, Verlegungen usw. kann momentane Bündnisse beinhalten. Aber der Weg zur ideologischen und politischen Einheit – nicht irgendeine, sondern diejenige, die die Grundlage dieser Avantgardepartei sein muss – ist der der wissenschaftlichen Arbeit, die sich außerhalb der Gewerkschaftsaktivität und der Spontaneität der Bewegung entwickeln wird. Keine der Mobilisierungen seit 1995 hat zu dieser Einheit geführt.

Das Gesamtbewusstsein, das der Arbeiterklasse fehlt, wird nicht in Laufe eines spontanen Kampfes kommen. Es bedarf einer Organisation, die die marxistisch-leninistische Theorie innerhalb der Arbeiterklasse hineinträgt. Ohne eine wissenschaftliche Theorie, ohne unabhängige Klassenorganisationen (Partei, Gewerkschaft usw.) kann die Arbeiterbewegung nicht aus ihren Kämpfen lernen. Am Ende kann nur die Partei das Gedächtnis dieser Kämpfe sicherstellen.

Dieses Bewusstsein wird in einem mehrdimensionalen Kampf entwickelt. Ein wichtiger Bestandteil ist der ideologische Kampf, der uns zu einer theoretisch-politischen Arbeit zwingt, um die Natur der kapitalistischen Gesellschaft zu kennen und die Alternative in der Praxis aufzuzeigen. Es reicht nicht aus zu sagen, dass der Kapitalismus nicht den Bedürfnissen der Menschheit entspricht. Wir müssen auch in jeder konkreten Situation zeigen, wie die kapitalistische Gesellschaft uns im Interesse einer Handvoll Kapitalisten zu einer düsteren Zukunft verurteilt. Was auch immer die Wunder des Fortschritts von Wissenschaft, Technologie, materiellen Produktionskapazitäten sein mögen, ihre Nutzung – oder Nichtnutzung – wird vollständig von den Kapitalisten und ihren politischen Vertretern bestimmt, wobei das einzige Kriterium die Erzwingung von Mehrarbeit seitens der Arbeitern und die Umwandlung des so geschaffenen Mehrwerts in Gewinne ist. Naturkatastrophen, Hungersnöte, Epidemien – all dies sind für die Bourgeoisie nur untergeordnete Elemente in ihren auf Akkumulation von Kapital gerichteten Berechnungen.

Die Avantgardepartei der Arbeiterklasse als solche existiert derzeit nicht. Aber innerhalb der Klasse gibt es viele Aktivisten, die zumindest eine fortgeschrittene Vision haben, die über die elementare Verteidigung der Arbeits- und Lebensbedingungen hinausgeht. Wir müssen die Verbindung zwischen diesen Aktivisten und der marxistisch-leninistischen kommunistischen Bewegung aufbauen. Wir müssen darauf hinarbeiten, dass sie im täglichen Kampf allmählich die Fähigkeit erlangen, den realen und nicht imaginären Weg zu einer Gesellschaft zu verstehen, die der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ein Ende setzt. Wir müssen auf allen Ebenen eingreifen, die Mittel finden, um uns auf nationaler Ebene politisch zu organisieren. Eine rein lokale Organisation oder eine Organisation, die aus einer Zusammenfügung einiger verstreuter lokaler Punkte besteht, kann keine politische Gesamtorganisation der Arbeiterklasse schaffen. Diese Aktivität zugunsten der Bildung der Partei muss parallel zum Antreiben, innerhalb der Arbeiterklasse, der von den Arbeitern geführten Kämpfe gehen.

Aus theoretischer Sicht ist es notwendig, sich auf eine gründliche Analyse unserer imperialistischen Epoche und der Rolle der imperialistischen Wirtschaft, des Wettbewerbs zwischen imperialistischen Ländern und ihrer Auswirkungen oder ihres Einflusses in der Klasse, und der Art und Weise, in der die Arbeitsteilung im gesamten imperialistischen kapitalistischen System der Welt strukturiert ist, zu stützen.

Seit einiger Zeit setzt die imperialistische Bourgeoisie verstärkt protektionistische Maßnahmen ein. Die Reformisten haben von Natur aus eine Neigung im gleichen Sinne, was es ihnen leicht macht, in das zu verfallen, was wir Chauvinismus nennen. Aber in unserer Propaganda dürfen wir uns nicht damit zufrieden geben, einfach Anschuldigungen zu erheben, mögen sie auch gerechtfertigt sein. Wir müssen die Argumente finden, die die durch gegnerische Einflüsse in die Irre geführten Aktivisten überzeugen können. Und wir müssen auch unsere kritische Analyse bestimmter fehlerhafter Vorstellungen darlegen, die auf die frühere Geschichte der PCF zurückgehen, insbesondere auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Denn das Werk des Nationalen Widerstandsrates (Conseil national de la résistance, CNR) und die "dreißig Glorreichen" ("Trente glorieuses" – die Zeit des Wirtschaftswachstums, der Expansion aufgrund kapitalistischer Planwirtschaft, bis Mitte der 1970er Jahre) sind Gegenstand mythischer Interpretationen, die nicht der Realität entsprechen. Obwohl dies bereits eine ferne Geschichte ist, übt die Erinnerung an diese Ereignisse immer noch einen erheblichen ideologischen und praktischen Einfluss aus, und dies in einem nachteiligen Sinne.

Die Organisation von Arbeitsprozessen, auch schon auf Länderebene, ist komplex: CDI, CDD (unbefristeter/befristeter Arbeitsvertrag), Baustellenvertrag, Interim, Subunternehmer und Mitunternehmer, Aufteilung des Marktes usw. Auf einer Baustelle oder in einer Fabrik ist manchmal nicht einmal die Hälfte der Mitarbeiter direkt dem Hauptunternehmen angehörig. Auch dies macht den Gewerkschaftsrahmen unfähig, die organisatorische Einheit der Arbeiter auf Dauer zu bilden.

Ein Punkt hier zu interklassistischen sozialen Bewegungen, wie die Bewegung der "bonnets rouges" ("rote Mützen", im Oktober 2013 in der Bretagne), der "gilets jaunes" ("gelbe Westen", 2018-2019), "Indignez-vous!" ("Empört euch!", 2010-2012, eine durch das gleichnamige Buch von Stéphane Hessel inspirierte Bewegung), usw. Diese Bewegungen hinterlassen keine Struktur, die sich für einige Zeit einrichten würde, auch keinen Raum, um sich weiter zu organisieren, nicht einmal eine (nicht virtuelle) Stelle, um den Kontakt zwischen den Aktivisten aufrechtzuerhalten. (Siehe unseren Artikel in der Ausgabe 25 von der Voix des Communistes. [5])

Oft verwechselt man die Form des Kampfes mit der Substanz des Kampfes. Jeder Kampf, so "radikal" er auch sein mag und welche die Beteiligung der Arbeiter sei, ist nicht unbedingt ein Kampf gegen den Kapitalismus. Die marxistisch-leninistischen Kommunisten müssen vor allem innerhalb der Arbeiterklasse handeln, die fortschrittlichsten Aktivisten im Kampf zusammenbringen, um eine marxistisch-leninistische kommunistische Partei aufzubauen, die auf den Prinzipien des Marxismus-Leninismus beruht.

Es kommt vor, dass diese Position als Sektierertum bezeichnet wird. Wenn manche der Ansicht sind, dass die Verteidigung der Prinzipien des Marxismus-Leninismus Sektierertum wäre, dann sind wir in diesem Sinne "Sektierer"; aber diejenigen, die diese Kritik äußern, sind sehr weit vom Marxismus entfernt. Die politische Einheit der Klasse ist eine Verpflichtung, die auf marxistisch-leninistischen wissenschaftlichen Grundlagen gebildet werden muss.

Heute behauptet der ROCML nicht, eine Partei zu sein. Wir sind eine Gruppe mit der Ambition, die marxistisch-leninistischen kommunistischen Positionen in der Arbeiterklasse und gegenüber den kommunistischen Aktivisten zu verteidigen und zu verbreiten. Dies ist unsere Auffassung seit der Gründung. (Siehe unser Dokument vom Gründungskongress des ROCML, 2013 .[6]) Leider sind wir weit entfernt von einer offenen ideologischen, theoretischen und politischen Konfrontation zwischen Gruppen, die behaupten, marxistisch-leninistisch zu sein (mit Ausnahme einer kurzen Zeitspanne während der Existenz des Nationalen Komitees zur Vereinigung der kommunistischen Bewegung in Frankreich – Comité National pour l’Unification du Mouvement Communiste en France, CNU).

Solange die kommunistischen Kräfte hinsichtlich der ideologischen und theoretischen Vereinigung keine Fortschritte machen, ist es aussichtslos zu glauben, eine Vereinigung – welcher Art auch immer – verwirklichen zu können. Um diesem Ziel näher zu kommen, müssen sich die Voraussetzungen konkretisieren, und zwar auf dem Boden des Kampfes der Arbeiterklasse, die ihrer Stärke und der historische Rolle, die ihr zufällt, bewusst wird.



[1]. W. I. Lenin, Staat und Revolution (1917); Werke, Band 25; Berlin, Dietz Verlag, 1974; S. 398-399.

[2]. W. I. Lenin, Der Reformismus in der russischen Sozialdemokratie (1911); Werke, Band 17; Berlin, Dietz Verlag, 1978; S. 218-219.

(Zu dieser Zeit wurde zur Bezeichnung der kommunistischen Bewegung noch der Begriff Sozialdemokratie verwendet.)

[3]. Lenin, Reformismus in der russischen Sozialdemokratie; S. 216.

[4]. Lenin, Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus (1913); Werke, Band 19; Berlin, Dietz Verlag, 1977; S. 7.

[5]https://rocml.org/wp-content/uploads/2019/04/VDC25.pdf

[6]http: //rocml.org/rocml-1/